Ein Museumsbesuch der etwas anderen Art 

Von Luise Dahns, Q4

Für gewöhnlich schrecken die meisten Schüler*innen vor einem Museumsbesuch zurück, aber wenn man sich erst einmal darauf einlässt, dann kann es ganz lustig werden. Am 13.12.2022 ist der Q3 Latein-Grundkurs Richtung Potsdamer Platz aufgebrochen, um die Gemäldegalerie zu besuchen; und Herr Wolf war natürlich auch mit von der Partie! Nachdem wir die Mäntel in der Garderobe sicher verstaut hatten und durch die “Donatello”-Sonderausstellung durchgehetzt waren, standen wir schon vor dem ersten Gemälde: Perseus befreit Andromeda von Peter Paul Ruben, das er 1620-1622 malte. Der erste Vortrag konnte beginnen.

Im dritten Semester behandelt man im Latein-Unterricht die Lyrik. Der wohl bekannteste römische Dichter war Ovid, der im Herbst des Jahres 8 nach Christus auf Befehl des Kaisers Augustus verbannt wurde und in 15 Büchern insgesamt 250 Sagen verschriftlichte, die den griechischen Sagen bis auf die Namensgebung gleichen. Sein Gesamtwerk nannte er “Metamorphosen”, was so viel wie Verwandlung heißt. Sein wohl berühmtester Satz ist der erste:

In nova fert animus mutatas dicere formas
corpora; di, coeptis (nam vos mutastis et illas)
adspirate meis primaque ab origine mundi
ad mea perpetuum deducite tempora carmen

In neue Körper verwandelte Gestalten, 
drängt meine Seele dazu zu dichten. 
Ihr Götter, denn ihr habt auch jene verwandelt,
inspiriert mein Vorhaben und geleitet mein fortlaufendes Gedicht 
vom ersten Ursprung der Welt bis zu meiner Zeit herab.

Das ewige Herumsitzen im Unterricht wird schnell öde, weshalb Herr Wolf nicht lange zögerte und beschloss, dass wir in der Gemäldegalerie Vorträge zu Bildern von Ovids Metamorphosen halten könnten. Gesagt, getan. Das erste Bild war also von der Befreiung der Andromeda vor dem bösen Seeungeheuer. Wir hörten von den lykischen Bauern, die durch Latonas Wunsch in Frösche verwandelt wurden, Pyramus und Tisbe, die als tragisches Liebespaar die Vorlage für Shakespeares Stück Romeo und Julia bildeten und mit ihrem Blut die Früchte des Lorbeerbaumes dunkelrot färbten und Europa, die auf dem Stier nach Kreta floh. 

So weit so gut, bis uns das Bild “Das Urteil des Paris” abhandengekommen zu sein schien. In besagtem Raum war es nirgends zu finden. Lediglich eine Tür, vor der ein Absperrband stand und ein Glasvitrine mit kleineren Werken konnten wir entdecken. Wir wollten uns gerade umdrehen, da rief Herr Wolf leise zu uns herüber, die Türklinke der verbotenen Tür in der Hand, dass das Bild in dem Raum dahinter hängen würde. Was für ein Pech! Doch nicht verzagen, den Wachmann fragen. Folgende Konversation ergab sich (Gedankenprotokoll)

Schülerin: Entschuldigen Sie bitte, könnten wir hinter diese Tür eventuell einen Blick werfen? Wir halten gerade Vorträge zu Bildern und eines, das uns fehlt, hängt in diesem Raum.
Wachmann: Nein, da hängen keine Bilder.
Schülerin: Laut Raumplan sollte es dort hängen. 
Wachmann: Ausgeschlossen. Da hängen keine Bilder.

Nun mischt sich Herr Wolf ein, fängt an zu grinsen und sagt:
Herr Wolf: Doch doch, wir haben dort eben reingeguckt und das Bild hängt an der Wand.
Wachmann: Aber nein, das können Sie doch nicht machen. Tut mir leid, aber das geht wirklich nicht. 

Wir starteten noch zwei Versuche, um einen Blick auf das Gemälde zu werfen, denn ein Vortrag über die Metamorphose ohne eine Visualisierung ist nur halb so schön. Das Problem an der ganzen Sache war nur, dass uns der Wachmann von da an mit Argusaugen beobachtete und leider besaßen wir nicht nicht Hermes Panflötenkünste (Metamorphose der Io), sodass wir ein weiteres Mal auf frischer Tat ertappt wurden und mit viel Überzeugungskraft letztendlich doch noch auf das Bild blicken durften; allerdings nur die Hälfte der Gruppe. 

Nachdem wir uns gegenseitig mit Neugier und Begeisterung die Kunst nahe gebracht hatten – aus Sicht des Wachpersonals zu nahe – hatten wir sämtliche Metamorphosen in Farbe auf Leinwand gesehen und erklärt, mit welchen Mitteln der Künstler gearbeitet hatte. 

Schließlich mussten wir noch eine Niederlage einstecken, denn das Untergeschoss mit unserem letzten Bild war geschlossen. Aber darüber kann man wohl hingwegsehen. Insgesamt war es ein sehr unterhaltsamer Tag, bei dem wir viel über Ovid und seine Metamorphosen in der Kunst gelernt haben. Museumsbesuche können eben doch ganz cool sein!