Omnis cellula e cellula – Exkursion des LKs Biologie

Das erste Halbjahr unseres Biologie-Leistungskurses widmete sich dem Aufbau und der Funktion von biologischen Zellen. Die Erkenntnisse der Zelltheorie des 19. Jahrhunderts führten zu einem Grundsatz der modernen Biologie, der damals in lateinischer Sprache von Rudolf Virchow als erstem wie folgt formuliert wurde: omnis cellula e cellula (jede Zelle entsteht aus einer Zelle).

Das Werk Rudolf Virchows steht im Zentrum der Dauerausstellung des Medizinhistorischen Museums der Charité in Berlin-Mitte, das wir im frühen Januar 2024 besuchten.

Rudolf Virchow (1821-1902) war ein bedeutender Pathologe und Arzt, der in Berlin und Würzburg als Professor der Medizin tätig war. Durch seine Forschung entdeckte er, dass Erkrankungen auf der Störung von Körperzellen basieren und publizierte seine damals bahnbrechenden Entdeckungen in einem berühmten Buch mit dem Titel „Die Cellularpathologie“ im Jahre 1860.

Auch heute werden Virchows Methoden täglich angewendet, um beispielsweise die Veränderung von Zellen in Tumoren zu untersuchen. Dies geschieht in der pathologischen Praxis mittlerweile zudem vermehrt durch den Einsatz von diagnostischen KI-Verfahren. Außerdem wird Virchows grundlegender Ansatz in der derzeitigen biomedizinischen Forschung wie dem „Zellatlas-Projekt“ verfolgt, um jede Zelle des gesunden und des erkrankten menschlichen Körpers hinsichtlich seiner Position und den jeweils enthaltenen aktiven und inaktiven Biomolekülen (wie RNA, Proteine, Metabolite) zu analysieren. Diese Forschung kann dazu diesen, Erkrankungen früh(er) zu erkennen und Patienten/innen gezielt präventiv oder therapeutisch zu behandeln.

Virchow wollte mit Hilfe von Präparaten auch ein „begehbares“ Anatomiebuch erstellen – eine Idee, die vielen folgenden Generation von Medizinern/innen geholfen hat, den Aufbau des menschlichen Körpers besser zu verstehen.

Die Ausstellung des Medizinhistorische Museums der Charité besteht überwiegend aus Präparaten realer menschlicher Extremitäten und Organe. Diese müssen durch verschiedene Verfahren haltbar gemacht werden, um sie dauerhaft ausstellen zu können.

Die häufigsten Arten der Präparation sind die Feuchtpräparate und Trockenpräparate. Um ein Feuchtpräparat anzufertigen, wird das Organ in ein Fixierbad gelegt und in der endgültigen Position stabilisiert und arrangiert. Das fixierte Präparat wird am Ende in eine Flüssigkeit eingelegt, die aus Formaldehyd und Alkohol besteht und in bestimmten Abständen erneuert werden muss. 

Bei einem Trockenpräparat isoliert man den fokussierten Bereich und reinigt ihn von ungewünschten Gewebestrukturen. Um aus Weichteilen dauerhaft haltbare Trockenpräparate herstellen zu können, werden Köperwasser und Körperfette komplett durch polymerisierende Kunststoffe ersetzt. Dadurch wird das Gewebe sozusagen imprägniert. 

Es gibt noch andere Arten der Präparation, wie zum Beispiel Wachs-Trockenpräparate, kombinierte Trocken-Injektions-Präparate und Korrosionspräparate. Solche Präparate veranschaulichen den Aufbau echter Organismen und können bei der Erstellung von Diagnosen hilfreich sein.

Eine weitere Modelltechnik neben den üblichen Präparaten war die Moulage, ein Wachspräparat, welches an die zu darstellende Stelle, z.B. eine Entzündung im Auge bzw. Gesicht, angepasst wird. Da diese Technik sehr aufwendig ist, wird diese heute kaum noch verwendet.

In der Ausstellung werden beeindruckende Exemplare aus der medizinischen Praxis gezeigt, u.a. feinästelige Gewebestrukturen der Hand, des Kopfes, des Gehirns, der Niere und der Lunge, aber auch etliche Beispiele pathogener Veränderungen wie Aneurysmen und Metastasen (des Hautkrebses). Die Präparate zeigen sehr anschaulich wie sich Erkrankungen auf Zell- und Gewebsebene manifestieren.

Präparate dienen zu Lehrzwecken und zur Veranschaulichung der Anatomie des Körpers und von Krankheiten. Heutzutage verwendet man hierzu häufig auch Plastikmodelle – so wie wir sie auch aus dem Biologieunterricht kennen, z.B. um die Funktionsweise des Herzens zu verstehen.

Anatomische Vorlesungen und Untersuchungen wurden früher vor Studenten/innen im sogenannten anatomischen Theater von Ärzten bzw. Professoren durchgeführt. Anatomische Erkenntnisse des Mittelalters rührten von der Anatomie von Schweinen und Affen her, bis Andreae Versalii im 16. Jahrhundert begann die Anatomie des Menschen eingehend zu untersuchen.

Nach der Einführung in die Geschichte der Anatomie wurden uns in der Dauerausstellung historische Krankenzimmer gezeigt, die jeweils einer bestimmten Erkrankung und Epoche zugeordnet waren. Anhand einzelner, epochenrelevanter Beispiele konnten wir sehr gut die Entwicklung bis hin zur heutigen Apparate-basierten Medizin nachvollziehen.

Neben der fachlich sehr fundierten Darstellung der verschiedenen medizinhistorischen Themen ist uns besonders die ethische Reflexion der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen des Museums aufgefallen – denn viele der gezeigten Exponate der Dauerausstellung stammen von Patienten/innen und sollen entsprechend angemessen behandelt werden. 

Das Gehirn ist eines der größten Rätsel des menschlichen Körpers, mit dem sich, abgesehen von der biomedizinischen Hirnforschung, auch andere Wissenschaften wie Philosophie, Psychologie und Computerwissenschaften beschäftigen. In der Sonderausstellung „Das Gehirn in Wissenschaften und Kunst“, inspiriert durch die Bundeskunsthalle Bonn, werden Aspekte der Medizin, Forschung und Kunst interdisziplinär eingebracht, um das menschliche Gehirn zu erkunden und besser verstehen zu können.

Themen wie Evolution und Entwicklung, Anatomie, Funktionsweisen und Erkrankungen des Gehirns werden durch Modelle, Fakten und künstlerische Interpretationen veranschaulicht.

Besonders beeindruckt hat uns der Teilabschnitt über zukunftsorientierte Behandlungsmöglichkeiten bei Lähmungen an Gliedmaßen, beispielsweise nach einem Schlaganfall oder einer Rückenmarksverletzung. Modelle eines gedankengesteuerten Hand-Exoskelettes und einer EEG-Haube wirkten im ersten Moment wie ein surreales Projekt, welches jedoch schon heute die Lebensqualität von Betroffenen verbessern kann. Über die EEG-Haube (EEG steht für Elektroenzephalografie) werden Gehirnströme abgeleitet, die aufgrund elektromechanischer Kopplungen angeschlossene Geräte, wie das Hand-Exoskelett, in Bewegung setzen.

Dies ist eines der vielen Themen, die aus unterschiedlichen Perspektiven und mit verschiedenen Mitteln in dieser sehenswerten Sonderausstellung aufgegriffen werden.

Abschließend können wir allen biomedizinisch interessierten Lesern/innen empfehlen, die Dauerausstellung des frisch renovierten Medizinhistorischen Museums der Charité – und solange noch möglich – die zeitlich begrenzte Sonderausstellung „Das Gehirn in Wissenschaften und Kunst“ zu besuchen. Es lohnt sich!

Bilderverzeichnis:

Bild 1: Die Büste Rudolf Virchows

Bild 2: Die Cellularpathologie“ – das berühmte Lehrwerk Rudolf Virchows

Bild 3: Feuchtpräparate von Gehirnen

Bild 4: Wachs-Trockenpräparat (Kopf/Hals)

Bild 5: EEG-Haube

Bild 6: Der Leistungskurs Biologie (Q2, 2024): Martin Brick, Emilia Carnarius, Paul Kühling, Anna Talay, Kristin Borck, Rafaelle Abati-Bilbao, Mathilda Lüking, Florentina Witzel, Leander Hofmann, Paul Duckstein (v. l. n. r.).