In der Zeit vom 08.-12.07.2024 waren die Schüler*innen der Klassen 10a und 10g zusammen mit ihren Klassenlehrer*innen, Frau Schneider und Herrn Kolb sowie Frau Meissner und Herrn Golnik, auf Gedenkstättenfahrt in Weimar in Thüringen.
Gedenkstättenfahrten sind schulische Bildungsangebote, die sowohl historische als auch politische Aspekte vermitteln. Sie bieten eine einzigartige Gelegenheit, der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken und gegen Antisemitismus, Rassismus und Feindschaft gegenüber Minderheiten zu sensibilisieren. Ihr Ziel ist es sowohl, bei den Schüler*innen ein Bewusstsein für die Gräueltaten des Dritten Reiches und die Wichtigkeit des Erinnerns zu entwickeln, als auch die jungen Menschen in die Lage zu versetzen, der NS-Ideologie und allen anderen politischen Lehren, die auf Gewaltherrschaft abzielen, entschlossen entgegenzutreten. So leisten diese Fahrten neben historischer und politischer Bildung auch einen wichtigen Beitrag zur Demokratiebildung.
Weimar eignet sich aufgrund seiner einzigartigen historischen und kulturellen Bedeutung ganz besonders als Ziel einer Gedenkstättenfahrt. Die Stadt war um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert Zentrum der Weimarer Klassik, geprägt von Persönlichkeiten wie Goethe und Schiller. Anfang des 20. Jahrhunderts spielte Weimar eine bedeutende Rolle sowohl in der Geschichte der Weimarer Republik als auch während der Zeit des Nationalsozialismus.
Einen ersten Überblick über die ereignisreiche Geschichte der Stadt erhielten wir gleich nach unserer Ankunft am Montagnachmittag während eines Stadtgrundgangs mit zwei Fremdenführern, die uns wichtige Stationen nahebrachten: von den Wohnhäusern Goethes und Schillers als Wirkungsstätte wichtiger Dichter und Denker, über das Nationaltheater als Geburtsort der ersten deutschen Verfassung und bis hin zum Hotel Elephant, das ab Mitte der 1920er Jahre Hitlers Stammresidenz in Weimar war.
Am Dienstag stand die Auseinandersetzung mit der Weimarer Republik auf dem Programm. Mithilfe eines Arbeitsbuches mit Leitfragen zur Geschichte der ersten deutschen Demokratie erkundeten wir die Dauerausstellung im Haus der Weimarer Republik (direkt gegenüber vom Nationaltheater, dem Ort der Nationalversammlung von 1919) sowie den Bereich „Demokratie aus Weimar. Die Nationalversammlung 1919“ im Stadtmuseum Weimar und geschichtsträchtige Orte im nahegelegenen Stadtraum.
Der Mittwoch war ganz dem Besuch der Gedenkstätte KZ Buchenwald gewidmet. Nach einer kurzen Fahrt vom Stadtzentrum über die einst von Häftlingen angelegte “Blutstraße” erreichten wir – wie seinerzeit viele der Häftlinge und Wachmannschaften – das in unmittelbarer Nähe zur Kulturstadt Weimar gelegene ehemalige Konzentrationslager. Zunächst hatten wir Zeit für den Besuch der Dauerausstellung „Buchenwald. Ausgrenzung und Gewalt 1937 bis 1945“ im ehemaligen Kammergebäude, wo die Geschichte des Lagers und seiner Einbettung in die deutsche Gesellschaft der Jahre 1937 bis 1945 vermittelt und der Alltag im Lager veranschaulicht wird. Die rund 750 Objekte, über 400 Dokumente und mehr als 1.300 Fotografien, die zahlreichen Hörstationen, lebensgeschichtliche Porträts und Erinnerungsberichte ehemaliger Häftlinge zeichnen ein facettenreiches Bild, das wir kaum in Gänze erfassen konnten. Wer vor der für uns gebuchten Sondervorführung des Einführungsfilms noch Zeit hatte, nutze diese für einen individuellen Rundgang über das überraschend weitläufige Gelände oder erholte sich bei einer kurzen Mittagspause im Schatten.
Am Nachmittag nahmen wir in zwei Gruppen an einer dreistündigen Führung teil, bei der wir uns nach einem einführenden Gespräch, in dem wir uns dem Ort noch einmal gedanklich annäherten, ausgewählte Orte wie den Bunkerbau, den Lagerzoo und das Krematorium erschlossen. Da auf dem Gelände nur noch vereinzelt historische Gebäude vorhanden sind, hatten wir Gelegenheit, mithilfe eines Modells Ausmaß und Organisation des ehemaligen Lagers zu erfassen. Die dialogisch angelegte Führung bot viele Möglichkeiten, Vorwissen und Vorstellungskraft zu aktivieren und Fragen zu stellen.
Reich an Eindrücken fuhren wir am späten Nachmittag zurück ins Hostel, wo wir nach dem gemeinsamen Abendessen zu einer von Herrn Kolb geleiteten Nachbesprechung zusammenkamen. Obwohl der Tag sehr lang und für viele emotional belastend gewesen war, fiel das Fazit letztlich positiv aus: Die Schüler*innen sahen die intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus und den Verbrechen dieser Zeit im Rahmen des Besuchs der Gedenkstätte als Bereicherung an. Die anschließende Preisverleihung für die gelungensten Arbeitsbücher zur Geschichte der Weimarer Republik brachte etwas emotionale Erleichterung.
Am Donnerstag nahmen wir an einem Workshop im Museum für Zwangsarbeit teil, der an den Besuch der Gedenkstätte am Vortag anknüpfte und weitere Einblicke in die Geschichte der Zwangsarbeit während des Nationalsozialismus lieferte. Das Museum, das erst am 08.05.2024 im Weimarer Quartier der Moderne, dem ehemaligen „Gauforum“ der Nationalsozialisten, eröffnet worden war, bietet mit seiner Dauerausstellung einen detailreichen Überblick über die Bandbreite der NS-Zwangsarbeit und zeigt, wie tief diese in der rassistischen Weltanschauung der Nationalsozialisten verankert war und von einer breiten Öffentlichkeit in der deutschen Gesellschaft getragen wurde.
Wie auch an anderen Tagen stand der Nachmittag zur freien Verfügung, wobei freiwillige Angebote in Begleitung der Lehrkräfte genutzt werden konnten, bspw. ein Besuch der monumentalen Buchenwalder Mahnmalsanlage, des Bauhaus-Museums oder auch des örtlichen Freibades. Nach dem gemeinsamen Abendessen im Hostel trafen wir uns am Abend noch einmal im Stadtzentrum zur Präsentation verschiedener Gruppenaufgaben, die der Rückschau auf die Gedenkstättenfahrt dienten und einen etwas heitereren Abschluss ermöglichten. Am Freitagmorgen gab es noch Gelegenheit für letzte Einkäufe, bevor wir die Rückfahrt nach Berlin antraten.
Diese Gedenkstättenfahrt war eine eindrucksvolle und lehrreiche Erfahrung, die uns die historische Bedeutung Weimars und die Schrecken der nationalsozialistischen Vergangenheit noch einmal nähergebracht hat.